Die DiGA sinCephalea wurde vorübergehend aus dem DiGA-Verzeichnis gestrichen. Wir befinden uns derzeit mit dem BfArM im Gespräch und arbeiten darauf hin, dass die DiGA bald wieder verfügbar ist.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) vs. Gesundheits-Apps 

digitales Zeitalter
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Janna Vahlhaus

Janna Vahlhaus ist Scientifc Communicator bei der Perfood GmbH und hat medizinische Ernährungswissenschaften im Bachelor sowie Nutritional Medicine im Master an der Universität zu Lübeck studiert. Wissenschaftskommunikation liegt ihr schon lange am Herzen, wobei sie als freie Mitarbeiterin und in diversen Praktika beim BMEL, ZDF und SWR, bereits verschiedene Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnte.

Eine Befragung der AOK von 2.600 Versicherten aus dem Herbst 2022 konnte zeigen, dass 27% sich für digitale Lösungen begeistern und 50% zumindest offen dafür sind, wenn sie in den letzten 2-12 Monaten eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) freigeschaltet haben1. Aber warum sollte man Apps überhaupt in die Behandlung mit einbeziehen? 
Die Vorteile der Digitalisierung reichen in der Praxis von Erkennung, Überwachung und Behandlung von Krankheiten durch gezielte Funktionen in der App bis hin zur Kompetenzstärkung im Umgang mit der eigenen Erkrankung. Somit schließen sich bestehende Versorgungslücken und es kommt zu einer gesteigerten Therapieadhärenz außerhalb der Praxis. Aber was unterscheidet eigentlich eine DiGA von einer Gesundheits-App? 

Die Entwicklung der Gesundheits-Apps und DiGA in den letzten Jahren

Gesundheits-Apps sind weitverbreitet: weltweit werden im Google Play Store 3,4 Millionen und im Apple App Store 1,8 Millionen Apps angeboten. Alleine zwischen 2013 und 2017 stiegt die Anzahl der Downloads von 1,7 auf 4,1 Milliarden, wobei laut einer Umfrage des deutschen IT-Verbandes Bitkom 45% der Deutschen 2017 eine Gesundheits-App nutzten2.
Laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI, Stand August 2023), stehen rund 284.000 deutschsprachige Apps zum Download zur Verfügung3 . Dabei handelt es sich bei fast der Hälfte der Downloads um „Fitness-Apps“ (Instruktion, Nachverfolgung und Vermittlung von Fitnessinformationen etc.) gefolgt von den Segmenten „Entspannung und Achtsamkeit“ (Meditation, Stressbewältigung etc.); „Ernährung und Gewicht“ (Diät und Fasten, Kalorienzählen etc.) oder „Schwangerschaft, Verhütung und Kinderwunsch“ (Zyklus- und Schwangerschaftstracking etc.)2.

Die Gesundheits-Apps stehen im Verhältnis zu 57 derzeit gelisteten DiGA, von denen 35 dauerhaft zugelassen und 22 im Erprobungszeitraum, also vorläufig zugelassen sind (Abbildung 1)4. Hinzu kommen seit Herbst 2020 ca. 370.000 eingelösten Freischaltcodes (mehr als die Hälfte davon im letzten Jahr), was einem Wachstum von 215% im ersten und 65% im zweiten Jahr bedeutet.

Im Mai 2024 waren von 63 DiGA 57 aktiv, da sechs gestrichen wurden. Von diesen 57 befanden sich 22 in der vorläufigen und 35 mit dauerhafter Zulassung, wie dem aktuellen DiGA-Verzeichnis zu entnehmen ist.

Abbildung 1: Im Mai 2024 waren von 63 DiGA 57 aktiv, da sechs gestrichen wurden. Von diesen 57 befanden sich 22 in der vorläufigen und 35 mit dauerhafter Zulassung, wie dem aktuellen DiGA-Verzeichnis zu entnehmen ist.4

Für alle der bisher dauerhaft gelisteten DiGA haben die Hersteller randomisierte-kontrollierte klinische Studien (RCT) zum Nachweis des positiven Versorgungseffekts durchgeführt5. Die drei größten Indikationsgebiete sind „Psyche“ mit 26 DiGA, „Hormone und Stoffwechsel“ mit 7 DiGA und „Muskel, Knochen und Gelenke“ mit 5 DiGA. Die weiteren Anwendungsgebiete umfassen Atemwege; Geschlechtsorgane, Nieren und Harnwege; Herz- und Kreislauf; Krebs; Nervensystem; Ohren; Verdauung; Verletzung und Sonstige  (siehe Abbildung 2)4.

Anwendungsgebiete von gelisteten DiGA

Abbildung 2: Anwendungsgebiete von gelisteten DiGA4.


In den Bereich „Hormone und Stoffwechsel“ fällt unsere Diabetes-App glucura für Diabetes Typ 2 mit personalisierter Lebensstiltherapie basierend auf Blutzuckerdaten. In den Bereich „Nervensystem“ wird unsere DiGA sinCephalea zur Migräneprophylaxe gelistet. 

Aber was sind die genauen Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um als DiGA gelistet zu werden?

Gesetzliche Grundlage der DiGA

Im Dezember 2019 ist das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) in Kraft getreten mit dem Ziel die Digitalisierung und Innovation in Deutschland voranzutreiben, die Effizienz des Gesundheitssystems zu fördern und verbessern sowie Forschungsdaten bereitzustellen. Es regelt die Vergütung von Telekonsilen, Möglichkeit zur Teilnahme an der Telematikinfrastruktur, Innovationsförderung, Förderung der Forschung und die Erstattung digitaler Gesundheitsanwendungen, wovon besonders die Medizinprodukte, der Klassen I und IIa profitieren. Neben dem Nutzen für Patientinnen und Patienten wird zusätzlich auch eine Verbesserung der Versorgungsprozesse als Nutzen anerkannt und vergütet. Anwendungen, die vom behandelnden Fachpersonal ohne Interaktion mit dem Patienten genutzt werden und zur „Praxisausstattung“ gehören, sind keine DiGA (z.B. Telemedizin).

Die exakten Anforderungen für DiGA wurden im April 2020 in einer entsprechenden Verordnung (DiGAV) festgehalten, wodurch eine Antragsstellung als Hersteller ab Mai 2020 möglich und die erste DiGA im Oktober 2020 eingetragen wurde (siehe Abbildung 3)6. Nach Antrag zur Aufnahme werden DiGA im DiGA-Verzeichnis des BfArM gelistet, was eine Art „Digital-Lexikon“ darstellt, in dem nachgeschaut werden kann, welche Anwendungen verordnet werden können. Hier befinden sich Infos zu Indikationen, Preis, Funktionen, Wirkungsweise, Anwendungshinweise, Anwendungsdauer, positive Versorgungseffekte (pVE), Datenschutz und vieles mehr. 

DiGA Zulassungen im Zeitverlauf aus dem DIGA-Report 2023 des SVGDV zur Marktentwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen

Abbildung 3: DiGA Zulassungen im Zeitverlauf aus dem DIGA-Report 2023 des SVGDV zum DiGA Gesundheitsmarkt5  

Der Zulassungs-Prozess von DiGA

Nach einem Evaluationskonzept basierend auf Ergebnissen einer systematischen Datenauswertung stellt der Hersteller einen Antrag auf vorläufige oder dauerhafte Zulassung, der vom BfArM geprüft wird. Dieses Evaluationskonzept muss Daten zum medizinischen Nutzen enthalten, also pVE, insbesondere hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustands, der Verkürzung der Krankheitsdauer, der Verlängerung des Überlebens oder einer Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Alternativ oder zusätzlich können auch Parameter zur patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen (pSVV) vorliegen, im Sinne von neuen Möglichkeiten für eine Verbesserung der Versorgung z.B. im Bereich Adhärenz oder Gesundheitskompetenz. 

Nach ca. drei Monaten sollte es dann zur (vorläufigen) Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis kommen je nachdem, ob vergleichende klinische Studien vorliegen. Eine vorläufige Zulassung kann auch erreicht werden, wenn noch kein abschließender Nachweis für den Versorgungseffekt (gemäß den §§ 10 bis 12 DiGAV) mit einer randomisierten kontrollierten Studie erbracht wird, aber erste Pilotstudien eine Wirksamkeit zeigen und alle weiteren Anforderungen erfüllt sind. Es ist daher keine DiGA ohne Nachweis von Nutzen im Umlauf, da eben bereits bei der vorläufigen Zulassung hinreichende Hinweise zur Erbringung des positiven Versorgungseffekts (pVE) vorliegen.

Es findet dann eine 12-monatige Erprobungsphase statt, in der die notwendige vergleichende klinische Studie für die dauerhafte Aufnahme durchgeführt werden muss, die belegt, dass die Anwendung der DiGA besser ist als die Nichtanwendung8. Diese Daten haben wir bspw. kürzlich für unsere DiGA sinCephalea – Migräneprophylaxe eingereicht, da der Erprobungszeitraum im August endet. Die Migräne-App ist die weltweit erste stoffwechselbasierte DiGA zur digitalen Migränetherapie. Das Ganze beruht auf einem ernährungsmedizinischem Ansatz im Form von Blutzuckerstabilisierung durch eine personalisierte niedrig-glykämische Ernährung9. Die leicht umzusetzenden Empfehlungen werden auf Grundlage der kontinuierlich gemessenen Glukosereaktionen auf Mahlzeiten mittels CGM-Sensor getroffen um Migränetage effektiv zu reduzieren. 

Datensicherheit- & Datenschutz-Anforderungen der DiGA

Viele DiGA-Hersteller verarbeiten Gesundheitsdaten ausschließlich in der EU. Daten dürfen nur unter äußerst restriktiven Bedingungen außerhalb der EU verarbeitet werden. Auch Authentisierungs- und Authorisierungsanforderungen sowie Schnittstellen & Datenübertragung gehen bei DiGA über die Anforderungen der DSGVO hinaus. Denn Daten dürfen nur nach expliziter Einwilligung der Patientinnen und Patienten verarbeitet werden und das ausschließlich zur Erfüllung des Zwecks der DiGA. Daten dürfen somit niemals zu Werbezwecken verwendet werden und zu jedem Zeitpunkt unter voller Kontrolle der Patientin oder des Patienten sein.

Verordnungs- und Freischaltprozess der DiGA

Die behandelnde Ärztin oder der Arzt stellt den Indikationsnachweis oder die Verordnung den Versicherten zur Verfügung. Dieser kann den Antrag oder die Verordnung direkt an die Krankenkasse weiterleiten, die einen Freischaltcode nach Prüfung zur Verfügung stellt. Somit ist ein Download, Freischaltung und Nutzung beim DiGA-Hersteller möglich. 

Dabei wird ersichtlich, wie wichtig die Rolle der Ärztin oder des Arztes ist. Denn knapp 70% der zu Beginn erwähnten AOK-Nutzerbefragung gaben an, dass sie nur durch ihr behandelndes Fachpersonal auf DiGA aufmerksam geworden sind im Vergleich zu einstelligen Prozentzahlen im Werbe oder eigen Recherche Bereich1

Fazit: Unterschiede zwischen DiGA und Gesundheits-Apps

Die sog. „Lifestyle-Apps“ oder „Gesundheits-Apps“ unterliegen im Gegensatz zu den DiGA keinen strengen Regularien, da es keine einheitlichen Qualitätsstandards zum Nachweis der Wirksamkeit, Funktion oder Datenschutz gibt. In der Regel müssen diese Apps selbst bezahlt werden und der Datenschutz wird lediglich durch die DSGVO geregelt.

DiGA unterliegen hingegen, wie bereits erwähnt, strengen Regularien durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bezug auf Nutzennachweis, Patientensicherheit und Funktionstauglichkeit sowie Datenschutz und Datensicherheit, da es sich dabei um Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa (niedrig) handelt, die entsprechend CE-gekennzeichnet oder zertifiziert sind. Voraussetzung sind eine digitale Hauptfunktion, medizinische Zweckbestimmung und ein positiver Versorgungseffekt im Sinne medizinischen Nutzen oder patientenrelevanter Verfahrens- und Strukturverbesserung, die durch vergleichende randomisierte-klinische Studien (RCT) nachgewiesen werden. Die Kostenübernahme findet durch die gesetzliche Krankenkasse (GKV) statt ohne Belastung der Praxis-Budgets.

Quellen

1.             Apps Auf Rezept: Insgesamt Positiv Bewertet, Aber Für Viele Nutzende Verzichtbar. https://www.aok.de/pp/bv/pm/apps-auf-rezept/ (2023).

2.             IT-Sicherheit Auf Dem Digitalen Verbrauchermarkt: Fokus Gesundheits-Apps. https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/DVS-Berichte/gesundheitsapps.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (2021).

3.             TÜV mahnt zur Vorsicht bei Gesundheits-Apps. Aerzteblatthttps://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145311/TUeV-mahnt-zur-Vorsicht-bei-Gesundheits-Apps#:~:text= (2023).

4.             Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. DiGA-Verzeichnis.

5.             SVGDV. Marktentwicklung Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA-Report). https://digitalversorgt.de/wp-content/uploads/2024/01/DiGA-Report-2023-SVDGV.pdf.

6.             Der Arztberuf Im Wandel Digitaler Transformation – Positionspapier Zum Einsatz Medizinischer Apps in Der Versorgung. (2023).

7.             BfArM. Das Fast-Track-Verfahren Für ­ Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) Nach § 139e SGB V. (2022).

8.             BfArM. Für DiGA-Hersteller. Wie funktioniert das Fast-Track Verfahren?https://diga.bfarm.de/de/diga-hersteller.

9.             Lelleck, V. V. et al. A Digital Therapeutic Allowing a Personalized Low-Glycemic Nutrition for the Prophylaxis of Migraine: Real World Data from Two Prospective Studies. Nutrients 14, 2927 (2022).

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    Janna Vahlhaus ist Scientifc Communicator bei der Perfood GmbH und hat medizinische Ernährungswissenschaften im Bachelor sowie Nutritional Medicine im Master an der Universität zu Lübeck studiert. Wissenschaftskommunikation liegt ihr schon lange am Herzen, wobei sie als freie Mitarbeiterin und in diversen Praktika beim BMEL, ZDF und SWR, bereits verschiedene Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnte.

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