Die Wirksamkeit der digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) und Migräne-App sinCephalea wurde durch neuste klinische Daten nachgewiesen. Doch was genau bedeutet das für die DiGA und wie sehen das Studiendesign sowie die entsprechenden Ergebnisse aus? Was wir verraten können, gibt es einmal hier im Überblick.
Die Geschichte der DiGA: Die letzten fünf Jahre
Seit Ende 2019 ist das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) in Kraft getreten mit dem Ziel die Digitalisierung und Innovation in Deutschland voranzutreiben, die Effizienz des Gesundheitssystems zu fördern sowie Forschungsdaten bereitzustellen. Ein Teil davon ist auch die Erstattung von DiGA, wobei die exakten Anforderungen für DiGA seit April 2020 in einer entsprechenden Verordnung (DiGAV) festgehalten sind. Diese regelt u.a. die Antragsstellung als Hersteller zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis durch das BfArM. Die Liste kann als eine Art „Digital-Lexikon“ verstanden werden, in dem unter anderem nachgeschaut werden kann, welche Anwendungen verordnet werden können und wie es um deren Zulassung steht. Aber wie läuft so ein Zulassungsprozess genau ab?
Der Zulassungs-Prozess: von der vorläufigen zur dauerhaften Zulassung
Nach einem Evaluationskonzept basierend auf Ergebnissen einer systematischen Datenauswertung stellt der Hersteller einen Antrag auf vorläufige oder direkt auf dauerhafte Zulassung, wenn die Daten dies erlauben (siehe Abbildung). Das BfArM prüft das Evaluationskonzept in Hinblick auf die Daten zum medizinischen Nutzen im Sinne eines positiven Versorgungseffekts (pVE). Alternativ oder zusätzlich können auch Parameter zur patientenrelevanten Struktur- und Verfahrensverbesserungen (pSVV) vorgelegt werden.
Das Vorliegen vergleichender klinischer Studien entscheidet über die Art der Zulassung: Eine vorläufige Zulassung, kann erreicht werden, wenn erste Pilotstudien einen medizinischen Nutzen zeigen 1 und alle weiteren Anforderungen an u.a. Datenschutz und Datensicherheit erfüllt sind. Der abschließende Nachweis für die Wirksamkeit und eine entsprechende dauerhafte Zulassung, wird jedoch nur durch eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) erreicht, die belegt, dass die Anwendung der DiGA besser ist als die Nichtanwendung (siehe Abbildung )2. Eine RCT kann direkt oder im Rahmen eines 12-monatigen Erprobungszeitraums durchgeführt werden. Bei sinCephalea haben wir den medizinischen Nutzen durch eine Pilotstudie nachgewiesen, deren Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wurden1. Im anschließenden Erprobungszeitraum haben wir eine randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt, die bereits abgeschlossen ist und für die eine Veröffentlichung vorbereitet wird.
Abbildung 1: Unterschiede im Zulassungsprozess und der entsprechenden Listung durch das BfArM
Die randomisierte kontrollierte Studie im Überblick
Das Ziel der RCT war es, die Wirksamkeit von sinCephalea nachzuweisen, um mit diesen Studienergebnissen dauerhaft als DiGA gelistet zu werden. Konkret wurde die „Wirksamkeit der Digitalen Gesundheitsanwendung sinCephalea in der Prophylaxe von Migränetagen bei Patientinnen und Patienten mit episodischer Migräne über einen Zeitraum von zwölf Wochen: Eine randomisierte, offene, gegen Standardbehandlung kontrollierte Studie“ untersucht.
Es konnte gezeigt werden, dass es sich um eine der größten Studien weltweit zu Migräne und Ernährung mit über 842 randomisierten Teilnehmenden handelt.
Das Studiendesign wurde nach International Headache Society (IHS)-Kriterien konzipiert und entspricht somit den höchsten Qualitätsstandards für pharmakologische Migräneprophylaxen. Im Bereich der nicht-pharmakologischen Prophylaxen gehört es damit zu den qualitativ hochwertigsten Studiendesigns, die bis jetzt vorliegen und sinCephalea somit zu den am besten untersuchten nicht-pharmakologischen Therapien bei Migräne. Aber wie sah das Studiendesign im Detail aus?
Höchste Qualitätsstandards beim Studiendesign
Die Studie wurde am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck durchgeführt. Die Interventionsgruppe durchlief eine 12-wöchige Nutzung von sinCephalea mit integrierter Sensorphase im Vergleich zu der Kontrollgruppe, die lediglich das elektronische tägliche Kopfschmerztagebuch der App nutzte. Die Studienteilnehmenden wendeten bereits prophylaktische Maßnahmen an (medikamentös wie nicht-medikamentös) und behielten diese während der Studie bei.
Der primäre Endpunkt war die Anzahl der monatlichen Migränetage (Monthly Migraine Days: MMD), also die Veränderung der Migränetage pro vier Wochen am Ende der Intervention bzw. Kontrolle im Vergleich zur Baselinephase (vier Wochen). Weitere sekundäre Endpunkte waren unter anderem die Veränderung der Beeinträchtigung im Alltag, der Lebensqualität, sowie Responderraten.
Weitere Informationen zum Studiendesign können im Deutschen Register für Studien unter der DRKS-ID: DRKS00024657 oder in der Publikation Schröder et al. (2022), Trials eingesehen werden 3.
Ergebnisse bestätigen Wirksamkeit
Die monatlichen Migränetage wurden in der Interventionsgruppe signifikant und klinisch relevant reduziert. Die Interventionsgruppe war der Kontrollgruppe überlegen, was die Wirksamkeit von sinCephalea belegt. Zudem wurden keine Nebenwirkungen beobachtet, die im Zusammenhang mit sinCephalea standen, was als Vorteil gegenüber herkömmlichen pharmakologischen Prophylaxen gilt. Eine Publikation der Studienergebnisse in einem wissenschaftlichen Journal ist in Vorbereitung und steht Ihnen demnächst zur Verfügung.
Die Migräne-App sinCephalea Migräneprophylaxe
sinCephalea ist ein digitales Therapeutikum, das eine ernährungsbasierte, nicht-pharmakologische Migräneprophylaxe für Patientinnen und Patienten mit episodischer Migräne ermöglicht. Die DiGA setzt kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) zur Erfassung von Blutzuckerschwankungen ein, so dass daraus personalisierte Ernährungsempfehlungen abgeleitet werden. Dieser neuartige Ansatz stellt einen bedeutenden Fortschritt in der nicht-pharmakologischen Migräneprophylaxe dar und lässt sich unkompliziert in den Alltag der Betroffenen integrieren. Ein detailliertes Migränetagebuch ermöglicht zudem die Erfassung von Migränehäufigkeit, -intensität und -medikation, was eine präzisere Integration dieser Faktoren in den Behandlungsprozess erlaubt.
sinCephalea transformiert somit etablierte stoffwechselmedizinische Erkenntnisse über den Zusammenhang von Ernährung und Migräne in eine individualisierte Migräneprophylaxe. So ergänzt sinCephalea das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten in der Migräneprophylaxe um einen Ansatz, der auf personalisierten ernährungsmedizinischen Empfehlungen basiert.
Fazit
In einer RCT hat die nicht-medikamentöse Migräneprophylaxe sinCephalea ihre Wirksamkeit gezeigt und untermauert die Bedeutung der personalisierten Lebensstilintervention bei episodischer Migräne.
Die 12-wöchige randomisierten kontrollierten Studie wurde nach den Standards für Medikamentenstudien (IHS-Kriterien) konzipiert und hat 842 Patientinnen und Patienten mit episodischer Migräne randomisiert, die bereits prophylaktische Maßnahmen (medikamentös wie nicht-medikamentös) erhielten und diese beibehalten haben. Die Anzahl der monatlichen Migränetage ist im Vergleich zum Studienbeginn signifikant zurückgegangen und die Interventionsgruppe war der Kontrollgruppe überlegen. Zudem erreichten knapp 40 Prozent der Teilnehmenden eine 50%-Responderrate, die üblicherweise nur mit pharmakologischen Interventionen erzielt wird. Außerdem konnte bestätigt werden, dass die personalisierte Ernährungstherapie keine unerwünschten Nebenwirkungen hat und damit vergleichbaren pharmakologischen Prophylaxen überlegen ist.
Quellen
1. Lelleck, V. V. et al. A Digital Therapeutic Allowing a Personalized Low-Glycemic Nutrition for the Prophylaxis of Migraine: Real World Data from Two Prospective Studies. Nutrients 14, 2927 (2022).
2. BfArM. Für DiGA-Hersteller. Wie funktioniert das Fast-Track Verfahren?https://diga.bfarm.de/de/diga-hersteller.
3. Schröder, T. et al. Efficacy of the Digital Therapeutic sinCephalea in the prophylaxis of migraine in patients with episodic migraine: study protocol for a digital, randomized, open-label, standard treatment controlled trial. Trials 23, 997 (2022).
Autor
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Janna Vahlhaus ist Scientifc Communicator bei der Perfood GmbH und hat medizinische Ernährungswissenschaften im Bachelor sowie Nutritional Medicine im Master an der Universität zu Lübeck studiert. Wissenschaftskommunikation liegt ihr schon lange am Herzen, wobei sie als freie Mitarbeiterin und in diversen Praktika beim BMEL, ZDF und SWR, bereits verschiedene Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnte.
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