Neue Veröffentlichung im Bereich der Kopfschmerztherapie
Charly Gaul, Laura Zaranek und Gudrun Goßrau veröffentlichten in der wissenschaftlichen Zeitschrift Schmerz im Juli 2023 ein Review zu komplementären und ergänzenden Verfahren in der Kopfschmerztherapie 1. Das Review kann als Wegweiser in der Praxis der Migränetherapie eingesetzt werden.
Inhalt:
Die Suche nach wirksamen ergänzenden Therapien bei Kopfschmerzen
Obwohl die Auswirkungen von Kopfschmerzen weitreichend sind, gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Bedarf an medizinischer Versorgung und dem tatsächlichen Versorgungsniveau. Auch aus diesem Grund greifen viele Betroffene auf ergänzende Behandlungsmethoden zurück. Solche Therapien gewinnen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen an Popularität.
Allerdings kann es schwierig sein, aus der Vielzahl der verfügbaren Therapieoptionen die passenden und vor allem diese mit gutem Wirksamkeitsnachweis zu wählen. Es braucht umfangreiche randomisierte, kontrollierte Studien, die komplementäre und ergänzende Verfahren untersuchen, um diese alternativen Methoden in der Behandlung von Betroffenen mit einzusetzen. Das vorgestellte Review fasst die verschiedenen Ansätze zusammen und überprüft deren Wirksamkeit.
Was sind komplementäre und ergänzende Verfahren
Die im Artikel beschriebenen Verfahren umfassen Physiotherapie, Ernährungsempfehlungen, Neuraltherapie, Akupunktur, Homöopathie, Phytotherapie, Nahrungsergänzungsmittel und Nicht-empfohlene Verfahren.
Bei Kindern und Jugendlichen werden Nahrungsergänzungen („nutraceuticals“), pflanzliche Therapieansätze, Akupunktur, Chiropraktik, manuelle Therapie, Hypnose, Achtsamkeitsmeditation und Yoga als komplementäre und ergänzende Verfahren beschrieben.
Integration in bestehende Behandlungen
Betroffene sollen nicht dazu ermuntert werden, bewährte medizinische Behandlungen laut Migränetherapie Leitlinie durch alternative Methoden zu ersetzen. Stattdessen sollte eine ganzheitliche Herangehensweise zur bestmöglichen Versorgung der Betroffenen verfolgt werden, bei der diese Verfahren in Verbindung mit konventionellen Therapien eingesetzt werden. Die Betroffenen sind motiviert, solche Ansätze zu nutzen, und diese Motivation sollte genutzt werden, indem geeignete Verfahren in den Behandlungsplan integriert werden. Zusätzlich zur Anwendung dieser ergänzenden Therapien ist es entscheidend, umfassende Aufklärung über die Kopfschmerzerkrankung anzubieten und kontinuierliche ärztliche Betreuung sicherzustellen.
Es wird besonders hervorgehoben, dass komplementäre Ansätze als Ergänzung zu Standardverfahren berücksichtigt werden sollten, um die Betroffenen bestmöglich abzuholen.
Im Folgenden werden die komplementären und ergänzenden Verfahren zum Thema Ernährung beschrieben:
Ernährungsansätze in der Migränetherapie
Obwohl es viele Ratschläge zur Ernährung bei Kopfschmerzen, insbesondere bei Migräne, gibt, basieren diese oft nicht auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage. Hier bedarf es einer genauen Unterscheidung von wirksamen und nicht-wirksamen Ansätzen.
Einige Betroffene bemerken spezielle Lebensmittel, Alkohol oder Fasten als Auslöser für Migräneattacken. Tatsächlich gaben mehr als die Hälfte der Befragten in einer Studie an, dass das Überspringen von Mahlzeiten und in einem Viertel der Fälle bestimmte Lebensmittel ihre Migräne auslösten 2. Nur wenige Zusammenhänge z.B. bei Rotwein lassen sich wissenschaftlich nachweisen 3. Mehrere Publikationen bestätigen auch das Fasten als Auslöser für Migräne 4.
Die wissenschaftliche Diskussion dreht sich im Bereich Ernährung um die Wechselwirkung zwischen Stoffwechsel, Triggern und der Verbindung zwischen Darm und Gehirn sowie deren Einfluss auf Neurotransmitter und Hormone.
Ein Hinweis auf diese Beziehungen sind u.a. abdominelle Beschwerden, die während einer Migräneattacke auftreten, aber auch eine Verbindung von Migräne und Reizdarmsyndrom ist beschrieben. Zentral könnte hierbei der Nervus vagus sein, der eine Rolle bei der Schmerzweiterleitung im Gehirn spielt und gleichzeitig wichtige Funktionen im Magen-Darm-Trakt übernimmt 5. Die Vagusnervenstimulation hat sich sowohl bei Migräne als auch bei Clusterkopfschmerzen als wirksame Behandlung bewährt 6. Ein weiterer potenzieller Schlüsselfaktor in diesem Zusammenhang könnte das β-CGRP sein. β-CGRP ist im Magen-Darm-Trakt weit verbreitet und eine Isoform des α-CGRP, das als wichtiger Botenstoff im Trigeminalsystem agiert 5.
Untersucht wird auch der Einfluss von Blutzuckerschwankungen auf die Migränehäufigkeit. Im Review wird unsere derzeitig laufende randomisierte, kontrollierte Studie erwähnt, die erstmals eine solche Untersuchung in diesem Umfang durchführt 7. Ergebnisse aus unserer Anwendungserprobung konnte bereits eine mittlere Reduktion von 44 % Migränetage pro Monat zeigen 8. sinCephalea kann als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) bei Migräne auf Kassenrezept (budgetneutral) verschrieben werden und steht so der Versorgung von Patientinnen und Patienten zur Verfügung.
Studien liegen auch zur Wirkung einer ketogenen Ernährung und β-Hydroxybutyrat auf die Migräneanfälle vor 9. Ketogene und niedrig-glykämische Ernährung gelten schon Länger als Ansatz in der diätetischen Behandlung bei Migräne. Positive Effekte konnte in einigen Studien nachgewiesen werden, jedoch gibt es auch Studiendaten die keine Verbesserung zeigen konnten. Neue Ansätze vereinen die niedrig-glykämische Ernährung und Migräne mit der personalisierten Ernährung und können so die Effektivität des Ansatzes auf ein neues Niveau bringen 8. Dafür ursächlich ist die individuelle Blutzuckerantwort auf Mahlzeiten, die interindividuellen Schwankungen unterliegt 10. Personalisierte Ernährungsempfehlungen für eine niedrig-glykämischen Ernährung könnten hierbei wegweisend sein.
Nicht ausreichend belegt sind der Einsatz von Probiotika 11,12, die routinemäßige Bestimmung von IgE-Antikörpern gegen Nahrungsmittelantigenen 13 und der Einsatz von omega-3 Fettsäuren 14. Trotz guter Studienergebnisse spielt die Vitamin D-Versorgung noch eine untergeordnete Rolle in der Migränebehandlung 15. Nahrungsergänzungsmittel wie Magnesium, Coenzym Q10 und Riboflavin haben eine gute Verträglichkeit und konnte Effekte auf die Migräne nachgewiesen werden 16. Bei Betroffenen die histaminhaltige Nahrungsmittel als Migränetrigger identifiziert haben, empfiehlt sich eine testweise histaminfreie Diät über mehrere Wochen 17.
Weitere komplementäre und ergänzende Verfahren wurden im Review ausführlich beschrieben 1.
Fazit
In der Fachzeitschrift „Schmerz“ veröffentlichte Charly Gaul, Laura Zaranek und Gudrun Goßrau eine Übersicht über komplementäre und ergänzende Therapieansätze bei Kopfschmerzerkrankungen 1. Es wurde betont, dass trotz des hohen Bedarfs an medizinischer Versorgung häufig eine Diskrepanz zwischen den vorhandenen Therapieangeboten und der tatsächlichen Versorgung besteht. Auch deswegen greifen viele Betroffene auf alternative Behandlungsmethoden zurück. Diese Alternativen erfreuen sich wachsender Beliebtheit, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen.
Allerdings mangelt es an vielen Stellen an aussagekräftigen Studien zur Wirksamkeit dieser Verfahren. Das Review bietet einen aktuellen Überblick über die Vielzahl dieser Methoden, darunter Physiotherapie, Akupunktur und verschiedene Ernährungsansätze, und betont, dass diese komplementären Ansätze nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu etablierten Standardtherapien genutzt werden sollen.
Ernährung spielt bei Migräne-Betroffenen schon immer eine große Rolle. Oft werden Lebensmittel als Trigger identifiziert. Dieser Zusammenhang ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, in Studien nicht nachweisbar. Neuere Ansätze zeigen, dass insbesondere die individuellen Blutzuckerreaktionen auf Mahlzeiten hierbei entscheidend sein können.
Es braucht jedoch noch mehr randomisierte kontrollierte Studien, um die zahlreichen komplementären und alternativen Ansätze bewerten und so die bestmögliche Versorgung gewährleisten zu können. Unsere randomisierte kontrollierte Studie mit sinCephalea untersucht derzeit die Wirksamkeit einer personalisierten, niedrig-glykämischen Ernährung bei Migräne 7 und trägt damit zur Etablierung eines innovativen Ernährungsansatzes in der Migräneprophylaxe bei. Ganz nach dem Motto: Empowerment gegen Migräne.
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Referenzen
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